Mitmenschen, nehmt uns Trauernde an! von Erika Bodner

#1 von AlCaro , 14.06.2012 17:32

Erika Bodner hat ihre Tochter verloren.
Ich finde sie trifft mit ihren Worten sehr gut, was ich fühle, natürlich abgewandelt bezogen auf ihr Kind.
Ich glaube dieser Text ist sehr gut für unsere Freunde, Mitmenschen und Bekannten, da Erika Bodner durch ihre Worte versucht zu erklären, was die Trauer mit uns macht!


Mitmenschen, nehmt uns Trauernde an!

Geht behutsam mit uns um, denn wir sind schutzlos.
Die Wunde in uns ist noch offen und weiteren Verletzungen preisgegeben.
Wir haben so wenig Kraft, um Widerstand zu leisten.

Gestattet uns unseren Weg, der lang sein kann.
Drängt uns nicht, so zu sein wie früher, wir können es nicht.
Denkt daran, dass wir in Wandlung begriffen sind.
Lasst Euch sagen, dass wir uns selbst fremd sind. Habt Geduld!

Wir wissen, dass wir Bitteres in Eure Zufriedenheit streuen,
dass Euer Lachen ersterben kann, wenn Ihr unser Erschrecken seht,
dass wir Euch mit Leid konfrontieren, das Ihr vermeiden möchtet.

Wenn wir Eure Kinder sehen, leiden wir.
Wir müssen die Frage nach dem Sinn unseres Lebens stellen.
Wir haben die Sicherheit verloren, in der Ihr noch lebt.

Ihr haltet uns entgegen: Auch wir haben Kummer!
Doch wenn wir Euch fragen, ob Ihr unser Schicksal tragen möchtet, erschreckt Ihr.
Aber verzeiht: Unser Leid ist so übermächtig, dass wir oft vergessen,
dass es viele Arten von Schmerz gibt.

Ihr wisst vielleicht nicht, wie schwer wir unsere Gedanken sammeln können.
Unsere Kinder begleiten uns. Vieles, was wir hören, müssen wir auf sie beziehen.
Wir hören Euch zu, aber unsere Gedanken schweifen ab.

Nehmt es an, wenn wir von unseren Kindern und unserer Trauer zu sprechen beginnen,
wir tun nur das, was in uns drängt.
Wenn wir Eure Abwehr sehen, fühlen wir uns unverstanden und einsam.
Lasst unsere Kinder bedeutend werden vor Euch.
Teilt mit uns den Glauben an sie. Noch mehr wie früher sind sie ein Teil von uns.
Wenn Ihr unsere Kinder verletzt, verletzt Ihr uns.
Mag sein, dass wir sie vollendeter machen, als sie es waren,
aber Fehler zuzugestehen fällt uns noch schwer.
Zerstört nicht unser Bild! Glaubt uns, wir brauchen es so.

Versucht, Euch in uns einzufühlen. Glaubt daran, dass unsere Belastbarkeit wächst.
Glaubt daran, dass wir eines Tages mit neuem Selbstverständnis leben werden.
Euer „Zu-trauen“ stärkt uns auf diesem Weg.

Wenn wir es geschafft haben, unser Schicksal anzunehmen,
werden wir Euch freier begegnen.
Jetzt zwingt uns nicht mit Wort und Blick, unser Unglück zu leugnen.
Wir brauchen Eure Annahme,
Vergesst nicht: wir müssen so vieles von neuem lernen,
unsere Trauer hat unser Sehen und Fühlen verändert.

Bleibt an unserer Seite!
Lernt von uns für Euer eigenes Leben!

Erika Bodner

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RE: Mitmenschen, nehmt uns Trauernde an! von Erika Bodner

#2 von Monika H , 15.06.2012 22:09

Liebe Caro, ich habe mir den Text gleich heute noch durchgelesen und finde auch das diese Frau genau die richtigen Worte findet. Man ist fast geneigt dem einen oder anderen diesen Text zukommen zu lassen.
Ansonsten habe ich mich heute über Euren Besuch gefreut und fand den Nachmittag sehr schön.
Hab ein schönes Wochenende, wir sehen uns dann alle am Montag.
Liebe Grüße Monika

Monika H  
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RE: Mitmenschen, nehmt uns Trauernde an! von Erika Bodner

#3 von Eva , 16.06.2012 10:03

Ich musste auch gleich beim Aufwachen an unseren schönen gemeinsamen Nachmittag gestern denken. Ich bin sehr sehr dankbar für diese Gruppe und unser Zusammensein. Besonders klasse finde ich, jetzt endlich mal auch Jannick kennen gelernt zu haben und dass er mit uns zusammen dieses Ritual gemacht hat. Ein toller Junge! Ihn zu sehen hat mich sehr berührt.

In dieser Form kannte ich diesen Text noch nicht. Ich bin sehr froh darüber, dass Du ihn gerade jetzt mit uns teilst, liebe Caro, denn gestern habe ich eine Zuschrift von einer Frau bekommen, die ihren Sohn verloren hat. Sie hat auf meine Umfrage geantwortet, die ich auch hier gepostet habe. Dieser Text wird Teil meiner Antwort für sie sein und ich bin sicher, er wird ihr gut tun.

Sie beginnt mit Verletzlichkeit. Gerade diese Woche bin ich auf einen ganz besonderen Vortrag über Verletzlichkeit gestoßen, der mich sehr berührt und auch bestätigt hat. Ich poste ihn für Euch in der Rubrik Links. Schaut mal rein.

Ich freue mich schon auf Montag! Denkt an Eure Kerzen!

Liebe Grüße
Eva


 
Eva
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zuletzt bearbeitet 16.06.2012 | Top

   

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